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Warum Positive Leadership ein gutes Mittel gegen Energievampire ist

Dr.  Markus Ebner ,  MSc.

Dr.  Markus Ebner ,  MSc.

Organisationspsychologie
Begründer des PERMA-Lead Modells

Stefanie Krauth

Stefanie Krauth

Studienassistentin, Universität Wien

Ohne sich jemals wissenschaftlich damit auseinandergesetzt zu haben, kennt sicherlich jeder Mensch Personen, die nur durch ihr Dasein energetisierend wirken. Und leider kennen die meisten von uns auch das Gegenteil: Nämlich Menschen, bei denen man sich nach jedem Zusammensein müde und ausgelaugt fühlt. Oft werden diese als wahre Energievampire erlebt.

Die beiden (ehemaligen) Professoren Wayne Baker und der Positive Leadership Pionier Kim Cameron von der Wirtschaftsuniversität Michigan bezeichnen dieses Phänomen als Beziehungsenergie.

Ein Phänomen, das sich wissenschaftlich messen lässt

Relational Energy, wie sie im Original genannt wird – ist in diesem Verständnis definiert als ein Gefühl von Lebendigkeit, Aufgeregtheit, Vitalität und Elan. Was auf den ersten Blick wie eine Beschreibung aus einem Esoterik-Buch klingt, lässt sich allerdings tatsächlich wissenschaftlich belegen. Positive Energie, wie Relational Energy auf Deutsch bezeichnet wird, setzt innere Ressourcen und Kapazitäten frei und erhöht unsere Fähigkeit, Stärken zu entfalten. Menschen, die von anderen als Energiespender beschrieben werden, sind in der Regel selbst High Performer. Und das mit einer viermal so hohen Wahrscheinlichkeit als jene, die als besonders einflussreich beschrieben werden oder über viele Informationen verfügen. Positive Energie ist nicht das Gleiche wie Motivation. Zu Motivation gehören nämlich je nach Ansatz eine konkrete Zielgerichtetheit, Bedürfnisse, die meist noch nicht erfüllt sind, Erwartungen oder andere Aspekte. Positive Energie hingegen entspricht eher einer Basisenergie und ist somit ein Schlüsselelement für Aktivierung.

Diese positive Energie wirkt nicht nur auf den Menschen selbst, sondern hat ebenso eine starke Wirkung auf andere Menschen. Studien dazu zeigen, dass jene Mitarbeiter*innen, die eine Arbeitsbeziehung zu einem Energiespender haben, eine messbar bessere Leistung zeigen und dass in High-Performance-Unternehmen dreimal (!) so viele positive Energienetzwerke bestehen als in Low-Performance-Unternehmen.

Wir finden eine Sensibilisierung für dieses Thema deshalb so wichtig, weil es in einem Team oft bestimmte Personen sind, die durch ihre positive Energie das ganze Team beeinflussen, was aber nicht mit klassischer Performancemessung erhoben werden kann. Dennoch beeinflussen diese Personen die Leistung maßgeblich – nämlich die Leistung der anderen.

Können Positive Leader Teamdynamiken beeinflussen?

Beeinflusst der Führungsstil generell die Teamkultur? – so könnte diese Frage allgemeiner lauten. Die wissenschaftliche Forschung zeigt hier eindeutig, dass das der Fall ist. Führungskräfte geben, ob sie wollen oder nicht, einen Verhaltensrahmen. Welche Verhaltensweisen werden von der Führungskraft belohnt, welche verletzten die Norm, und nicht zu vergessen: Welche werden sanktionslos geduldet? Das sind wichtige Fragen, mit denen sich jede Person mit Führungsverantwortung auseinandersetzten sollte. Das jeweilige Führungsverhalten bestimmt nämlich maßgeblich, welche Verhaltensnormen im Team entstehen.

Ist Positive Leadership in besonderer Weise geeignet, eine positive Teamkultur zu fördern? Genau dieser Frage sind wir in unserer aktuellen Studie nachgegangen.

Positive Leadership und Relational Energy – die Studie

Bei dieser Studie wollten wir konkret die Frage beantworten, ob Positive Leadership einen messbaren Effekt darauf hat, wie hoch der Anteil an Energievampiren bzw. Energiespendern im Team ist.

239 Personen nahmen an dieser Studie teil. Sie wurden gebeten, psychologische Fragebögen (Relational Energy Scale von Owens) zur erlebten Beziehungsqualität zu ihrer Führungskraft sowie zu ihren Kolleginnen und Kollegen zu bearbeiten. Dadurch konnte zwischen zwei Formen der Relational Energy unterschieden werden: Der Relational Energy, die zwischen der Führungskraft und den Mitarbeiterinnen besteht und der Relational Energy, die unter den Mitarbeiterinnen besteht.

Weiters wurde das Positive Leadership Verhalten der jeweiligen direkten Vorgesetzten mit dem PERMA-Lead-Profiler gemessen.

Die Auswertung zeigt einen eindeutigen Zusammenhang zwischen dem Führungsverhalten und der Beziehungsenergie, die innerhalb des Teams erlebt wird.

Jene Teams, deren Führungskraft ein Positive Leader ist, bringen mehr energiespendendes Verhalten der einzelnen Teammitglieder zum Vorschein. Unsere Studienergebnisse zeigen konkret, dass in diesen Teams ein höheres Durchhaltevermögen, mehr Energie, um die Arbeit zu erledigen sowie eine stärkere Vitalität sichtbar werden.

Noch drastischer ist dieser Effekt erwartungsgemäß bei der Relational Energy, die zwischen den Mitarbeiter*innen und der Führungskraft selbst bestehen. Bei dieser Studie interessierten wir uns nämlich auch dafür, inwiefern das Führungsverhalten die Führungskraft selbst zu einem Energiespender oder eher einem Energievampir macht. Die nachfolgende Grafik spricht eine eindeutige Sprache.

Führungskräfte, die wenig Positive Leadership Verhalten zeigen, werden als wahre Energievampire erlebt. Sie haben nicht nur einen fragwürdigen Führungsstil, sondern ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschreiben auch, dass sie sich nach einem Kontakt mit ihrer Führungskraft energieloser fühlen, weniger Energie haben um ihre Arbeit zu erledigen und auch ihr Durchhaltevermögen merklich sinkt.

Während jene, die als echte Positive Leader beschrieben werden, bei ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine messbar vitalisierende Wirkung haben, die auch dazu führt, dass sie sich lebendiger fühlen, wenn sie mit ihrer Führungskraft zu tun haben. Das wiederum setzt innere Ressourcen und Kapazitäten frei und erhöht die Fähigkeit, eigene Stärken zu entfalten.

Wie werden Führungskräfte zu Energiespendern?

In einer Studie wurden Teilnehmende gefragt, ob sie jemals eine/n Kollegin, Mitarbeiterin oder Vorgesetzte/n hatten, der/die sie durch seine/ihre Anwesenheit energetisiert hat. 59 Prozent der Befragten fiel dazu eine aktuelle oder ehemalige Führungskraft ein. 59 Prozent! Vielleicht mag die Zahl manchen gar nicht so klein erscheinen. Aber wenn es eine der maßgeblichen Aufgaben einer Führungskraft ist, bei Mitarbeiter*innen für eine arbeitsförderliche Energie zu sorgen, dann erscheint es erschreckend, dass rund 40 Prozent der Arbeitstätigen in ihrem bisherigen Berufsleben keine Erfahrung mit energiespendenden Führungskräften gemacht haben. Das ist problematisch – aber veränderbar.

Was genau machen nun Führungskräfte, die Energiespender sind, anders als jene, die als Energievampire erlebt werden? Ein Team von Wissenschaftler*innen hat Menschen genau diese Frage gestellt (Owens, Baker, Sumpter & Cameron). Sie befragten Führungskräfte, welche Eigenschaften sie an Energiespendern und Energiesaugern erleben. Hier ist das Ergebnis:

Über die Autor*innen

Dr. Markus Ebner, MSc.

Organisationspsychologie
Begründer des PERMA-Lead Modells

Er unterrichtet an mehreren Universitäten und Fachhochschulen den Schwerpunkt Führung, hat in diesem Bereich zahlreiche Bücher und Publikationen verfasst und verfügt über Zusatzausbildungen in Coaching, Supervision, Krisenintervention, Sozialpädagogik sowie Organisations- und Teamentwicklung. Neben seiner mehr als 20-jährigen Tätigkeit als Trainer, Coach und Berater ist er der Begründer des PERMA-Lead Modells und als einer der namhaften europäischen Experten für Positive Leadership im Board of Directors des Österreichischen Dachverbands für Positive Psychologie. 2021 wurde er für seine Arbeit vom Weltdachverband für Positive Psychologie (IPPA) mit dem „Exemplary Research to Practice Award“ ausgezeichnet.

Stefanie Krauth

Studienassistentin, Universität Wien

Steht kurz vor ihrem Masterabschluss in Psychologie im Schwerpunkt Arbeit, Wirtschaft und Gesellschaft. Sie studierte an der Universität Wien. Ihre Forschungsinteressen liegen in der Sozialpsychologie (z.B. Entscheidungen in sozialen Situationen) und in der Arbeitspsychologie (z.B. Führungsverhalten und Organisationsprozesse). Die Studienergebnisse in diesem Blogartikel sind zusätzliche Auswertungen aus Daten, die im Rahmen des Projekts zu ihrer Masterarbeit erhoben wurden.